In Sachen H. und acht Anderer Im Jahr 1972 stehen neun Jugendliche wegen Rowdytum, Körperverletzung und Raub vor einem Stadtbezirksgericht der DDR. Sie sind angeklagt, gemeinsam am Berliner Kollwitzplatz eine Gruppe von Homosexuellen angepöbelt, geschlagen und beraubt zu haben. Nüchtern, fast ohne Kommentar, und mit einer distanzierten Kameraführung wird dieser Schauprozess begleitet. Im Mittelpunkt stehen seltsamerweise weder die Jugendlichen selbst noch ihre Vergehen, sondern die Frage, was ihr Verhalten motiviert haben könnte und wem die Verantwortung dafür anzulasten ist. Auf dem Prüfstand stehen dabei die familiären Umstände der jungen Männer, ihre psychische Disposition, die Schule, ihr soziales Umfeld, ihr Stadtbezirk und die Gesellschaft der DDR selbst. In einer beängstigend und komisch zugleich wirkenden Sprache und Terminologie wird dem unerwünschten "Rowdytum im schweren Fall" nachgegangen, über "lose, negative Freizeitgruppierungen" und die Möglichkeiten "gesellschaftlicher Betätigung" im Jugendfreizeitheim verhandelt. Wir erfahren etwas über kaputte Familien und die Machtlosigkeit elterlicher und schulischer Erziehungsversuche, über mangelnde Perspektiven für Jugendliche und ihre Probleme in der Pubertät, über Gruppendynamik und Gewalt gegen "Andere" - in der DDR ebenso aktuell wie anderswo. IN SACHEN H. UND ACHT ANDERER Concerning H. and Eight Others DDR 1972, 35mm, s/w, 30 min, OF Österreich-Premiere Regie und Buch: Richard Cohn-Vossen Kamera: Christine Lehmann, Rudolf Schemmel Schnitt: Waltrud Hartmann Produzent: Gruppe Profil/Defa-Studio für Kurzfilm